Ihr kennt das bestimmt auch, vermutlich von euren Eltern oder den WG – Mitbewohnern. Da hat man sich alle möglichen Dinge gerade wunderbar zusammengestellt, ist mitten im Spielen, Basteln oder Entspannen, schon schallt der Ruf „Räum dein Zimmer auf!“
Meistens will man dann nicht so recht dran, findet Ausreden, liest sich am Lieblingsbuch fest oder muss das, was man da findet, dringend ausprobieren. Aber manchmal kommt man von ganz allein auf die Idee, aufzuräumen. So ging es mir in den letzten Tagen. Mein Zimmer, indem ich von zuhause aus arbeite, hatte sich in eine Müllhalde verwandelt. Wann immer wir etwas beiseite räumen mussten, wanderte alles in mein Zimmer. Ich hatte kaum Platz, am Schreibtisch mehr als meinen Laptop aus der Firma aufzubauen. Obendrein hatte ich meinen Bastelsachen zu viel Platz gegeben, sodass sehr viel Raum ungenutzt blieb.
In der letzten Woche sank meine Laune immer weiter. Ich war bedrückt und wusste nicht, warum. Natürlich, ich hatte seit drei Wochen das Haus nur noch bis zur Terrasse verlassen, hatte keinen anderen Menschen außer meinem Mann gesehen. Aber sollte das wirklich alles sein?
Als ich mit meinem Rollstuhl mal wieder in mein Zimmer fuhr und mich darüber ärgerte, dass ich so wenig Rangierraum hatte, ging mir eine ganze Lichterkette auf. Wieder zurück am Esstisch fragte ich meinen Mann, ob wir etwas aus meinem Zimmer heraus räumen könnten. Wir überlegten gemeinsam, welche Dinge in meinem Zimmer bleiben müssen. Dann begann ich zu überlegen, wie ich meine Bastelsachen sinnvoller ordnen könnte. Zunächst einmal die Papiere. Fotokarton, Tonpapier, Designkarton, Origami Papier usw. lagen wild durcheinander. Dazu die ganzen Reste von Kartenbasteleien. Ich entschloss mich, die Reste wegzuwerfen, die Papiere wurden nach Farben und Sorten sortiert und platzsparender verpackt.
Dann weiter. Das Regal stand voll mit gesammelten Packungen, die ich zu Schade zum Wegschmeißen fand, 3D-Elementen, schon fertig zusammengebaut, Pinseln, Farben und was man sonst so zum kreativ sein braucht. Das war noch einfach und brauchte nur Zeit.
Danach aber, am zweiten Tag, ging es an Altlasten. Dinge, die ich schon lange hätte aussortieren müssen, weil ich sie nicht mehr verarbeiten kann. Knöpfe, Borten, Stoffe. Früher habe ich viel und mit Freude genäht, für die Zuschnitte legte ich den Stoff auf den Boden. Seit ich im Rollstuhl sitze und nicht mehr auf dem Boden herumkriechen kann, habe ich das Nähen fast aufgegeben. Entsprechend habe ich keine Verwendung mehr für die Kurzwaren.
Das auszusortieren tat verdammt weh, aber das kennen viele.
Nachdem das Zimmer weitgehend leer war, begannen wir es sinnvoller wieder einzuräumen. Meine Tontechnik hat nun ihren Platz darin, damit ich am neuen Rechner komponieren kann. Dafür ist auch Papas altes Keyboard zu mir gewandert, damit kann ich Melodien und Begleitungen direkt einspielen. Es war nicht einfach, aber das Ergebnis sieht toll aus und ich habe das Gefühl, dass ich wieder atmen kann. Im Moment habe ich noch Urlaub, aber auch das nächste Home Office wird wesentlich einfacher sein, weil jetzt mehr Platz für Laptop und Tastatur ist.
Achtung, jetzt werde ich philosophisch: Manchmal muss Schorf aufgerissen werden, damit Gift abfließen kann.
Eine schwierige Erfahrung, eine schöne Erfahrung, eine wichtige Erfahrung.