Ich kann nicht mehr Auto fahren!
Diese Erkenntnis kommt mir, als sich die zappelnden Beine und die Spastiken in den Beinen häufen. Also brauche ich einen Fahrzeugumbau auf Handgas. Oder muss ich gar meinen Führerschein abgeben?
Das soll ein Arzt klären, also habe ich ein
Verkehrsmedizinisches Gutachten beim TÜV Braunschweig am 29.01.2020
Wir sind pünktlich da – leider hat das Gebäude Stufen. An einer Tafel neben dem Eingang ist vermerkt, welche Firmen sich in dem Gebäude niedergelassen haben, hierunter findet sich auch eine Wegbeschreibung zum Aufzug, der sich auf dem Hof befindet. Dieser ist mit einem Tor verschlossen, das sich auf Klingeln öffnet, als ich am Fahrstuhl stehe, wird mir aus einem Fenster zugerufen, dass der (vom Hof aus nicht bedienbare) Fahrstuhl heruntergeschickt wurde und ich in den ersten Stock fahren müsse. Das klappt wunderbar, die Tür zu den Räumen des TÜV ist breit genug, nicht jedoch die Tür zur Anmeldung. Ich bleibe also im Flur stehen, die junge Dame am Tresen kommt zu mir, um sich Personalausweis und Führerschein anzusehen. Ich muss einen standardisierten Fragebogen ausfüllen, in dem es um Erkrankungen, Klinikaufenthalte, Drogen- und Alkoholkonsum geht. Das tue ich im Wartezimmer, aus dem ich nach sehr kurzer Zeit von der Ärztin abgeholt werde. Sie stellt sich lächelnd vor und bittet mich, ihr “unauffällig“ zu folgen – was schon beim Wenden misslingt, weil ich an die Stühle stoße. Auf dem Weg fragt sie noch, ob mein Mann mit ins Untersuchungszimmer kommen darf.
Dort angekommen konstatiert sie erfreut, dass ich den richtigen Weg gewählt hätte, indem ich über die Führerscheinstelle diesen Bedarf angezeigt habe, ohne dass erst ein Unfall passiert ist oder ich angehalten wurde. Ich erzähle von der telefonischen Odyssee, die mich zu dem jetzigen Termin brachte: Erst beim Fahrzeugumrüster angerufen, weil ich dachte, ich könne das selbst veranlassen. Dieser verwies mich an den TÜV, da er einen offiziellen Auftrag benötigt, von dort wurde ich an die Führerscheinstelle weiterverwiesen, was die weiteren Schritte auslöste.
Der richtige Weg ist: mit allen Unterlagen, Befunden und Medikamentenliste persönlich bei der örtlichen Führerscheinstelle vorsprechen. von dort wird ein Verkehrsmedizinisches Gutachten beauftragt, dessen durchführende Stelle ich mir aussuchen konnte. Daraufhin muss einen Fahrprobe in einem umgebauten Fahrzeug abgelegt werden, deren Ergebnis auch der Führerscheinstelle vorgelegt wird. Wenn alle Gutachten beisammen sind, entscheidet diese, ob der Führerschein erhalten bleibt und welcher Umbauten es bedarf. Erst damit kann ich zum Umrüster gehen, der diese erforderlichen Umbauten vornimmt. Zeitlich bin ich momentan bei einem Horizont Mitte März für die Umrüstung.
Die Ärztin schaut sich den Fragebogen an und lässt sich von mir auch wörtlich erläutern, was ich dort angekreuzt habe. Meine Angaben ebenso wie die Medikamente, die ich einnehme, werden notiert, dann die von mir mitgebrachten Befunde gegengelesen. Frau Dr ist sehr erstaunt, dass ich keine Basistherapie mehr erhalte, versteht aber diesen Punkt ebenso wie den, dass ich nur noch selten zum Arzt gehe (ich erwähne scherzhaft, das ich das wohl erst wieder tun werde, wenn ich geimpft werden muss, krank bin oder einen neuen Rollstuhl brauche) als ich erwähne, dass ich als austherapiert gelte und deswegen nur noch eine symptomatische Behandlung erfolgt. Und dass ich keine Kosten und Einsatzzeiten von Ärzten und Krankenkassen verursachen möchte, derer ich nicht bedarf.
Sie testet noch meine Kraft in den Armen und erwähnt, dass beim Umbau berücksichtigt werden sollte, dass die linke Seite vermutlich schwächer wird, da meine MS seit Oktober 2017 in das progrediente Stadium übergegangen ist, sich also voraussichtlich eher verschlechtern wird, obwohl ich momentan eher stabil bin. Dann hört sie Herz und Lunge ab, misst Puls (82) und Blutdruck, der mit 190 zu 60 leicht erhöht ist. Das schreibt sie der Aufregung zu und ich kann bestätigen, dass ich auf dem Weg zur Untersuchung so nervös war, dass mir übel wurde und ich fast gespuckt hätte.
Dass ich mich umsetzen und ein wenig frei stehen kann glaubt sie ohne Beweis, ordnet noch einen Sehtest an und bittet mich, den ausführlichen Entlassungsbericht aus der Reha beizubringen weil das mein letzter Klinikaufenthalt war. Dort wurden auch Depressive Phasen diagnostiziert, sie bittet mich, eine kurze Einschätzung meines Hausarztes beizubringen, ob diese noch vorhanden sind und ob sie meine Fahrtauglichkeit beeinträchtigen können. Die Unterlagen fordere ich noch am selben Tag per Mail in der Praxis an.
Der Sehtest fällt so gut aus, dass ich ihr „Das reicht völlig!“ den Flur entlang höre.
Das Gutachten wird bis zum 28. Februar bei der Führerscheinstelle benötigt, ich kann mich jedoch jetzt schon um eine Fahrprobe in einem entsprechend umgerüsteten Auto bemühen. Ich bekomme noch ein „Bleiben Sie so fröhlich und Lebensbejahend“ auf den Weg, dann ist der Termin nach einer knappen Stunde erledigt.
Mit dem Fahrstuhl fahren wir wieder zum Innenhof hinunter, das Tor lässt sich aber wohl nur von oben bedienen, weswegen mein Mann noch einmal hochgeht. Wieder auf der Straße könnte ich heulen vor Freude, mein Führerschein bleibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehen!